Eine Vielzahl von deutschen Missionswerken und -gesellschaften entsandten ab dem 18. Jahrhundert Menschen, um in verschiedenen Ländern des globalen Südens den christlichen Glauben bekannt zu machen. Das ursprüngliche Ziel dabei, war es nicht, Kirchen in der Welt zu gründen (vgl. Günther 1970: 13), sondern vielmehr einzelnen Menschen den christlichen Glauben nahezubringen. Jedoch stellte sich alsbald die Notwendigkeit einer Organisation der neuen Gläubigen und somit wurden von den Missionaren neue Kirchen gegründet, die in der Regel von Vertretern der Missionswerke, also Europäern und Nordamerikanern, geleitet wurden. Die Missionstheorie befasste sich aus dieser Notwendigkeit heraus damit, wie die Beziehung zu diesen Kirchen gestaltet werden sollte (vgl. Raupp 1990: 1). Dabei waren die Partner dieser Beziehung auch organisatorisch sehr unterschiedlich, in Deutschland waren es Missionsgesellschaften, die zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend den großen Kirchen angehörten, während es in den "Missionsgebieten" Kirchen waren.
Als ein Meilenstein in der Missionsgeschichte kann die Weltmissionskonferenz im Jahr 1910 in Edinburgh, Schottland angesehen werden. Hier kamen erstmals weltweit Verantwortliche aus Missionsgesellschaften zusammen. Jedoch zeigt sich allein in der Herkunft der Delegierten, dass die Werke deutlich vom Kolonialismus geprägt waren. So sind von 1300 Delegierten lediglich 17 aus Ländern des globalen Südens und auch diese waren Vertreter der Missionsgesellschaften und nicht von eigenständigen einheimischen Kirchen. Kritik am Verhalten der europäischen Missionare gegenüber den einheimischen Christ*innen wurde deutlich geäußert von verschiedenen Vertretern, wie dem indischen Bischof Vedanayagam Samuel Azariah. Azariah, der davon spricht, dass Missionare als Vaterfiguren auftreten und die indischen Christen wie Kinder behandelten. Weiterhin erläutert er, dass ein Klassendenken vorherrscht, so dass indische Pastoren, die jahrelang mit Vertretern der Missionsgesellschaften zusammen gearbeitet haben, von diesen nie in ihre Häuser eingeladen wurden (vgl. World Missionary Conference: 1910: 306f). Er führt aus:
“The official relationship generally prevalent at present between the missionary and the Indian worker is that between a master and servant; in fact, the word often used in South India by the low grade Indian workers in addressing missionaries is ejafnan or master. The missionary is the paymaster, the worker his servant.” (ebd.: 311)
Im Nachgang dieser Konferenz wurde im Jahr 1921 der Internationale Missionsrat gegründet, der u.a. die folgenden Konferenzen veranstaltete.
Die nächste Weltmissionskonferenz fand im Jahr 1928 in Jerusalem, Israel statt. Zwischen beiden Konferenzen lag der erste Weltkrieg, der stark das Umfeld und die Agenda der Konferenz beherrschte. Da gerade „christliche“ Länder diesen Krieg provoziert hatten, brachte er das Bild der westlichen Zivilisation als Verkörperung des Evangeliums ins Wanken. Der Absolutheitsanspruch, mit dem Mission betrieben wurde, wurde in Jerusalem in Frage gestellt. Aus den ehemaligen Missionsgebieten wurde Kritik laut, woher sich das Recht genommen wird, anderen Menschen das Evangelium zu verkünden und das echte Christentum für sich in Anspruch zu nehmen (vgl. Bauerochse 1996: 44). In Jerusalem wurde erstmals von Gleichberechtigung der Kirchen im globalen Süden gegenüber Kirchen im globalen Norden gesprochen. Folgendes Zitat beschreibt die Veränderung, die durch verschiedene geschichtliche Ereignisse geschehen ist:
„Christianity is not a western religion, nor is it yet effectively accepted by the western world as a whole. Christ belongs to the peoples of Africa and Asia as much as to the European or American. We call all men to equal fellowship in Him.“ (International Missionary Council 1928: 490)
Je nach Übersetzung würde hier gleichwertige (Glaubens-) Gemeinschaft, gleichwertige Kameradschaft stehen. Dieser Beschluss lässt sich mehr als Zielrichtung, denn als Beschreibung des Status quo lesen. Auch auf der Jerusalemer Konferenz gab es verschiedene Standpunkte, die den „jungen Kirchen“ mehr oder weniger Freiheit zu gestanden. Dabei waren insbesondere deutsche Vertreter eher zurückhaltend und wollten den Einfluss der deutschen Missionare erhalten (vgl. Bauerochse 1996: 48).
Weltmissionskonferenz Jerusalem im Jahr 1928
Quelle: World Council of Churches: 1928
Die folgende Weltmissionskonferenz fand zehn Jahre später, 1938 in Tambaram, Indien statt. Auch diese Konferenz verdeutlichte gesellschaftliche und missions-wissenschaftliche Entwicklungen. So fand die Konferenz erstmals in einem Land des globalen Südens statt, die knappe Mehrheit der Delegierten war aus dem globalen Süden und es waren erstmals Frauen unter den Delegierten zugelassen. Bedeutend ist, dass auf dieser Konferenz die Trennung zwischen sendender und empfangender Kirche aufgehoben und eine Einheit der weltweiten Kirche, der „Gemeinde Gottes in der Welt“ (Schlunk 1938: 194) angestrebt wurde. Ein starker Fokus lag weiterhin auf Mission, wie auch der Titel des offiziellen Konferenzberichts zeigt: The World Mission of the Church. Da diese Vision von den europäischen und amerikanischen Kirchen allein nicht verwirklicht werden konnte, wurde den Kirchen des globalen Südens zugestanden, mitzuwirken. „Die verbleibende Arbeit ist so unermesslich groß, so dringend und so wichtig, daß es aller Kräfte aller Christen in allen Teilen der Welt bedarf.“ (Margull 1963:56) Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit erwächst nicht aus theologischen sondern vielmehr aus pragmatischen Überlegungen. Die Aufgabe erscheint als so umfassend, dass es eine vereinte Kirche benötigt, um sie zu erfüllen. „Die Aufgabe muß heutzutage in Partnerschaft zwischen alten und jungen Kirchen bewältigt werden, und zwar durch Zusammenlegung aller Hilfsmittel und durch die Zusammenarbeit aller Christen.“ (ebd.: 57) Hier fällt in der deutschen Übersetzung der Konferenzdokumentation das erste Mal der Begriff Partnerschaft, wobei diese Zuschreibung auch früher geschehen war, jedoch ohne explizit diesen Begriff zu nutzen. Gleichwohl wird in Tambaram und in der folgenden Konferenz in Whitby, Kanada erkennbar, dass gemeinschaftliches Arbeiten, Seite an Seite für eine gemeinsame Vision als erstrebenswert angesehen wird. Das Klassendenken, das noch in Edinburgh deutlich wurde, schien mehr und mehr in den Hintergrund zu rücken. Es wurden sogar Vorschläge geäußert, dass Vertreter der sog. Jungen Kirchen in die alten Kirchen entsendet werden könnten, um dort als Missionare tätig zu werden (vgl. Bauerochse 1996: 64).
Die nächste Konferenz, die hier beschrieben werden soll, da sie wegweisend für die Beziehung zwischen globalem Norden und Süden geworden ist, ist die Weltmissionskonferenz im Jahr 1947 in Whitby. Sie gilt als Initiation der kirchlichen Partnerschaft. Wenngleich auch früher bereits in diese Richtung gedacht wurde, wie oben erläutert. Das Geschehen auf der Konferenz war von einem größeren Gemeinschaftssinn und größerer Einheit geprägt als zuvor. Dazu trug auch die Zusammensetzung der Delegierten bei, da wieder ca. 50 Prozent von ihnen aus den jungen Kirchen kamen. Zeithistorisch waren viele Kirchen durch den Zweiten Weltkrieg geschwächt. Viele Länder des globalen Südens erlangten ihre Unabhängigkeit. Das hatte zur Folge, dass die Missionsgesellschaften die Führung der lokalen Kirchen in lokale Hände legen wollten, so dass eigenständige Entitäten entstehen konnten. Diese sollten unabhängig sein und nicht den Anschein erwecken, mit früheren Kolonialherren in Verbindung zu stehen oder von ihnen beeinflusst zu werden, da die Akzeptanz ansonsten gefährdet wäre. Besonders deutlich wird der Impetus der Konferenz unter anderem durch die Abschlusserklärung, die mit „Partners in Obedience“, also „Partner im Gehorsam“ betitelt ist. Hier wird explizit der Begriff Partner an prominenter Stelle aufgegriffen und in den Fokus der Diskussion gerückt. Dies geschieht weiterhin mit Blick auf die gemeinsame Aufgabe/Mission, ähnlich wie in Tarambar, jedoch wird den jungen Kirchen eine gleichberechtigtere Rolle zugestanden.
In Edinburgh, Jerusalem, Tarambar und Whitby lässt sich die historische Entwicklung von abhängigen Missionsgemeinden hin zu eigenständigen Kirchen und die Gestaltung der Beziehung mit selbigen gut ablesen. Die darauffolgenden Konferenzen behandelten weiterhin grundlegende Themen, jedoch sind sie in Bezug auf die Partnerschaftsbewegung von geringerer Bedeutung. Ein Ereignis soll dennoch aufgegriffen werden, da es als Erfolg der Bemühungen junger Kirchen gesehen werden kann. Im Jahr 1948 wurde der Ökumenische Rat der Kirchen gegründet, der eine Plattform zur Gestaltung der weltweiten zwischenkirchlichen Beziehungen bietet (vgl. Bauerochse 1996: 84f). Allen Mitgliedskirchen wird hier die Möglichkeit geboten, sich gleichberechtigt zu begegnen. Ein weiterer wegweisender Schritt in dieser Entwicklung, ist die Integration des Internationalen Missionsrates in den Ökumenischen Rat der Kirchen im Jahr 1961 in Delhi. Damit wurde verdeutlicht, dass Mission nicht ausschließlich Aufgabe der Missionswerke ist, sondern grundlegender Auftrag der weltweiten Kirche.
Auf lokaler Ebene wurde dies deutlich, durch die Gründung von Partnerschaftsgruppen und Partnerschaftsbeziehungen zwischen Kirchengemeinden und -kreisen in Deutschland und in Ländern des globalen Südens. Das Interesse bestand, diese weltweite kirchliche Verbundenheit auf Gemeinde-Ebene sichtbar werden zu lassen (Partnerschaftsleitlinien LKH S. 4). Verstärkend kam ein wachsendes Bewusstsein für die Verantwortung des Westens für Ungerechtigkeiten in verschiedenen Entwicklungsländern hinzu. In anderen Fällen, z. B. in Partnerschaften mit Südafrika, entstand der Wunsch, Solidarität mit Glaubensgeschwistern in Not zu zeigen. Viele soziale Bewegungen entstanden in den frühen 1970er-Jahren. In dieser optimistischen Aufbruchs-Stimmung lassen sich auch die Partnerschaftsbeziehungen sehen. Strukturell wurden diese durch Beschlüsse von Landeskirchen gefördert und legitimiert. Die Motive der einzelnen meist ehrenamtlichen Gemeindemitglieder sind dabei höchst unterschiedlich.
(Nordkirche Handbuch, S. 11ff)
Verena Berndt
Referentin Internationale Partnerschaften ELM
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Quellen:
Bauerochse, L. (1996): Miteinander leben lernen. Zwischenkirchliche Partnerschaften als ökumenische Lerngemeinschaften, Erlangen.
Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Hrsg.): Zukunftsfähige Partnerschaften gestalten – Handbuch für ökumenische Partnerschaftsarbeit in der Nordkirche. Hamburg 2013.
Günther, W. (1970): Von Edinburgh nach Mexico City: die ekklesiologischen Bemühungen der Weltmissionskonferenzen, Stuttgart.
International Missionary Council (Hrsg.): The christian life and message in relation to non-christian systems – report of the Jerusalem meeting of the International Missionary Council. London 1928.
Landeskirche Hannovers (Hrsg.) (2013): Leitlinien für Partnerschaften, Hannover, online im Internet: https://www.landeskirche-hannovers.de/damfiles/default/evlka/wir-fuer-sie/erleben/weltweite_kirche/leitlinien_aktuell_300115.pdf-4e9cf4ebba87c591e04a5d5e773d1501.pdf (zugegriffen am 06.07.2020).
Margull, H. (Hrsg.): Zur Sendung der Kirche. Material der ökumenischen Bewegung. München 1963.
Raupp; W. (Hrsg.): Mission in Quellentexten. Geschichte der Deutschen Evangelischen Mission von der Reformation bis zur Weltmissionskonferenz Edinburgh 1910. Erlangen/Bad Liebenzell 1990.
Schlunk, M. (1938): Das Wunder der Kirche unter den Völkern der Erde: Bericht über die Weltmissions-Konferenz in Tambaram (Südindien), Stuttgart/Basel.
World Missionary Conference (Hrsg.): The history and records of the conference together with addresses delivered at the evening meetings. Edinburgh 1910.